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Die Balanced Scorecard - DO-IT-YOURSELF

War letztens bei einem Workshop zur Erarbeitung einer Balanced Scorecard. Da die Vorgehensweise für mich nicht ganz nachvollziehbar war, habe ich mich nochmals theoretisch mit der Materie befasst. Auch wenn ich kein großer Verfechter der Balanced Scorecard für die Unternehmenskommunikation bin, so ist ein strategischer Ansatz immer dem reinen Aktionismus vorzuziehen.

Die Balanced Scorecard (BSC) stellt ein strategisches Steuerungssystem für Unternehmen zur Verfügung, das nicht nur auf finanzbasierten, vergangenheitsorientierten Kennzahlen basiert, sondern auch weiche Faktoren wie (Kunden-)Beziehungen, (Mitarbeiter-)Zufriedenheit und Innovationskraft des Unternehmens berücksichtigt. Die BSC will in einem "übersichtlichen Berichtsbogen" ("auf einen Blick") die wichtigsten Seiten eines Unternehmens in ausgewogener Weise darstellen. Ausgewogenheit soll gelten in Bezug auf finanzielle/nicht-finanzielle Daten, vergangenheits- und zukunftsorientierte Werten, kurz- und langfristige Kennzahlen und (subjektiv) bewertete und (objektiv) gemessene Zustände.
Zur Erstellung einer BSC wird damit begonnen, ein zentrales strategisches Ziel zu fomulieren (vgl. Friedag/Schmidt 2004). Von diesem Ziel ausgehend werden Subziele für jede Anspruchsgruppe abgeleitet. Die Ableitung von dem Oberziel zum Unterziel wird auch als "TOP-DOWN-Ansatz" bezeichnet. Die Hauptdimensionen einer klassischen BSC sind:

1. die Finanzperspektive,
2. die Kundenperspektive, 
3. die internen Geschäftsprozesse und
4. die Dimension des Lernens und der Entwicklung. 

Diese vier Kategorien können allerdings bei Bedarf durch weitere Aspekte, z.B. Gesellschaft & Poltitik (vgl. Zerfaß 2004), erweitert werden - was für die Integration der Unternehmenskommunikation in die unternehmenseigene BSC sinnvoll erscheint.
Die Ableitung der Subziele geschieht unter Berücksichtigung der "Erwartungen verschiedener Anspruchgruppen an die Erfolgspotenziele des Unternehmens" (vgl. Friedag/Schmidt 2004, 14). Die Bedürfnisse und Interessen der Bezugsgruppen eines Unternehmens spielen demnach eine große Rolle bei der Identifikation von Erfolgsfaktoren und damit den Kennzahlen für eine BSC. Für jede Anspruchsgruppe werden Kennzahlen gesucht, die als Meßgrößen das Leitziel unterstützen. Dabei ist der kausale Zusammenhang zwischen Subziel und Oberziel das wichtigste Glied in der Verbindungskette. 

Bei dem Zusammenhang von Kommunikationszielen und finanziellen Ergebnissen ist hier höchste Vorsicht geboten:  Kommunikative Wirkungen kausal mit finanziellem Erfolg, z.B. Verkaufszahlen oder gar Rentabilitätszahlen zu verknüpfen, ist wissenschaftlich unhaltbar (vgl. Helm 2007). Der Reiz ist groß, einen Zusammenhang von Kommunikationsleistungen und Wirtschaftserfolg schlicht und einfach anzunehmen, und dieses Vorgehen wird von zahlreichen Praktikern aus dem Umfeld des Kommunikationscontrollings wider besseren Wissens verfolgt. Dieser Zusammenhang kann jedoch schnell zum  Bumerang werden: Wenn die Geschäftszahlen negativ ausfallen und diese Auswirkungen dem Kommunikationsmanagement angelastet werden, gerät der Kommunikationschef in Erklärungsnot. Dabei hat er vielleicht gerade in dieser Situation durch kluge Kommunikation verhindert, dass die Darstellung der Situation viel schlimmer ausfällt als sie in Wirklichkeit ist. Bei der Auswahl der Kennzahlen für die Unternehmenskommunikation sollte darauf geachtet werden, dass Arbeitsergebnisse repräsentativ in die Scorecard einfliessen und ein ausgewogenes Bild zeichnen. Helm schlägt vor, sich auf vorfinanzielle Kennzahlen zu konzentrieren wie z.B. die Reputation. Diese zu erhalten und zu verbessern kann als strategisches Ziel der Unternehmenskommunikation betrachtet werden.

Wenn die Subziele für das Unternehmen definiert sind, werden Aktionen überlegt, die diese Subziele unterstützen. Der Erfolg dieser Aktionen wird anhand von messbaren Zielen (festgelegter Wert zu definiertem Zeitpunkt) kontrolliert. Die Zusammenarbeit von einzelnen Aktionen wird in Projekten organisiert und es ist ein kontinuierliches Berichtwesen zu installieren.

Dieses Vorgehen kam im praktischen Teil des Workshops leider nicht zur Geltung. In einem Bottom-Up-Vorgehen wurden Erfolgsfaktoren gesammelt, geclustert und in eine Wirkungspyramide zu einem Werttreiberbaum zusammengestellt. Das Vorgehen wurde von einem Teilnehmer als unprofessionell bezeichnet. Es wäre sicherlich interessant gewesen, die Erfahrungen der Teilnehmer zum Thema Evaluation und Controlling von Unternehmenskommunikation zu hören. Diese Möglichkeit wurde leider nicht geboten. Wobei die Aufmerksamkeit der Teilnehmer an diesem Punkt auch bereits weitgehend aufgebraucht war - die Komplexität der Materie ist doch nicht zu unterschätzen. Schade, dass das anfänglich präsentierte Fallbeispiel nicht eingehender (bzw. leserlicher) dargestellt und zur Erklärung der BSC herangezogen wurde.

Zeigt sich, dass es gar nicht so einfach ist, die Materie des Kommunikationscontrollings einfach und tauglich zu präsentieren. Vielleicht einer der Gründe, warum das Thema zwar interessiert (die Teilnehmerzahlen zeigen es), es aber weitgehend bei Lippenbekenntnissen bleibt.

PREZI zum Thema!